Wenn wir musizieren ist ein gesunder und funktionierender Körper unerlässlich. Unsere Gesundheit ist eines der wertvollsten Güter die wir besitzen können und beim musizieren ist unser Körper der "Motor" und das Instrument das "Werkzeug". Ist der Körper (Atemwege, Ansatz, Muskulatur, Gelenke etc.) krank oder funktioniert nicht optimal, so ist auch der Umgang mit dem Instrument nur eingeschränkt oder gar nicht mehr möglich. Dann kann auch die Musik nicht oder nur eingeschränkt "schwingen". Unser Körper ist ein hoch komplexes System welchem immer wieder besondere Beachtung geschenkt werden muss, denn wir haben nur einen!
Vor jedem musizieren sollte der Körper auf die "Betriebstemperatur" gebracht und vorbereitet werden, damit unsere Lernziele erreicht werden können. Wie beim sportlichen Training gibt es ach beim musizieren eine "Warm up-Phase" und eine "Cool down-Phase", alos ein "Aufwärmen" und ein "Abkühlen". Mehr darüber im Skrip: "Lernen undn Üben".
Musizieren und Gesundheit
Jedes Instrument birgt gesundheitliche "Problemfelder", welche durch das korrekte erlernen und optimale Üben minimiert werden können und so gar nicht erst zutage treten (z.B. Querflöte: leicht gedrehte Körperhaltung). Für ein gesundes und nachhaltiges üben und Musizieren sind unserer Meinung nach die Beachtung folgender drei Basiselemente wichtig:
1. Optimale Körperhaltung
2. Optimale Instrumentenhaltung
3. Optimales Spielverhalten
Die Panflöte ist ein Instrument, bei welchem im allgemeinen eine natürliche und gesunde Körper-, und Instrumentenhaltung vorhanden ist. Es gibt keine verdrehte Grundhaltung, die Hände und die Finger haben nur eine Haltefunktion (keine anstrengenden, Sehnen-, und Gelenkbelastende Griffe), sodass sogar mit einer körperlichen Einschränkung der Finger, Hände oder sogar der Arme dieses Instrument gespielt werden kann. Durch die ausgemittete, aufrechte Körperhaltung "steht" der Körper ganz natürlich "in sich selbst" und der Kopf "steht" ganz mühelos und ohne Krafteinsetzung auf der Wirbelsäule. Natürlich sollten Entspannungs-, und Dehnungsübungen zum täglichen Übeprogramm dazugehören, da diese die Selbstwarnehmung sensibilisieren. Auch bei scheinbar "leichten" Übungen und Stücken ist es wichtig herauszufinden, ob man irgendwo angespannt oder verpannt ist und ob das Musizieren vielleicht noch leichter und müheloser gehen könnte.
Die Kiefer-, Hals- und Nackenmuskulatur
Da bei der Panflöte keine Griffe wie bei Tasten-, Zupf- und Flöteninstrumenten nötig sind, konzentriert sich die Frage nach Spannung meiner Meinung nach vor allem auf den Kiefer-, Kopf- und Nackenbereich. Vor allem bei "Vielspielern", welche lange und intensiv an der Panflöte arbeiten, können verschiedene Spannungen und Verspannungen auftreten. Um zu veranschaulichen, wie komplex die Gesichts- und Kiefermuskulatur aufgebaut ist, sollen folgende Darstellungen zeigen.
Die Individuelle Kiefer-, und Lippenanatomie
Jeder Mensch hat eine unterschiedliche Kierfer- und Lippenanatomie, welche genetisch bedingt ist und sich im Laufe des Lebens verändert (z.B. Veränderung von Muskelbeschaffenheit, Zahnstellung etc.). Die einen haben etwas dickere Lippen und andere wieder etwas schmalere. Die einen haben ein markanntes Lippengrübchen und andere wiederum ein ganz flaches etc. Beim dem einen ist der Muskuläre Aufbau (Fibrillen) eher kompakt, grob und etwas unflexiebel und bei einem anderen sehr filigran und flexibel. Man kann dies mit den verschiedenen physischen Körpertypen (Konstitutionstypen) im Sport vergleichen (leptosome, pyknische etc. ). Der eine ist eher der kompakte, "massige" Kraftsportlertyp, und der andere eher der schlanke, drahtige Läufertyp (Gazelle), was auch bei der Gesichtsmuskulatur zutage tritt. Meiner Erfahrung nach haben diese Voraussetzungen auch einen Einfluss auf die Wandstärken und den Anschliff der Panflötenrohre. Einer Person mit massigen, kompakten Lippen kann eine etwas dickwandigere Flöte keinen zusätzlichen Aufwand bescheren, wobei bei einer Person feinen, schmalen Lippen ein zusätzlicher Kraftaufwand von Nöten sein könnte.
Dickwandigere Panflöte
Dünnwandigere Panflöte
Da je nach Anschliff des Mundstückes unterschiedliche Kräfteverhältnisse auftreten können, ist es notwendig das eigene Spielverhalten und die Spieltechnik zu analysieren. Auf der Panflöte haben wir in Bezug auf den Anschliffs-, und die Spielpositionen eine vorzügliche Situation, da das Instrument sehr genau auf die individuelle Beschaffenheit der Kiefer-, und Lippenanatomie angepasst werden kann.
Veränderungen mit zunehmendem Alter
Mit zunehmendem Alter verändern sich Psyche und Körper des Menschen. Durch die Reduzierung der Zahnmasse, also das abschleifen der Zähne über viele Jahre, findet ein verändertes Kräfteverhältnis in der Lippen- und Kiefermuskulatur statt. Dies trifft vor allem auf professionelle Flötisten zu, welche täglich mehrere Stunden am Instrument verbringen und kleinste Bewegungsabläufe üben und automatisieren. Deshalb sollte im professionellen Bereich diesem Fakt Rechnung getragen werden, um lange und gesund musizieren zu können.
Erfahrung mit Kieferspannungen von Hansjörg Rechsteiner
Durch jahrzehntelnge Rückenprobleme und operativ versteifte Rückenwirbel wurde ich immer wieder gezwungen, mich mit meinem Körper und dem Instrumentalspiel neu auseinander zu setzen. Dies gab mir Motivation, mein persönliches Übe-, und Spielverhalten auf der Panflöte (und auf der Gitarre) stetig zu reflektieren und zu analysieren (Selbstwarnehmung, Instrumentenhaltung, Flötenführung etc.). Eine Frage, welche ich mir beim täglichen Üben und musizieren immer wieder stelle ist: "Wie kann ich diese oder jene Stelle noch entspannter und müheloser spielen?", "Funktioniert diese Stelle so von innen heraus (innerliches Voraushören), dass es "von selbst" spielt?". Vor eingen Jahren, bemerkte ich nach sehr langen Übe-, und Spieleinheiten Spanungen im Kopf-, Kiefer- und Nackenbereich. Infolge vieler Auftritte und Konzerte und einem hohen Unterrichtspensum (wie es sicherlich vielen Musikern ergeht!), beachtete ich die Symptome eine Weile nicht. Erst bei zunehmnden Schmerzen nahm ich mir mit einem kompetenten Physiotherapeuten Zeit zur Analyse. Nach Lösung der Triggerpunkte im Kieferbereich und Massagen der Nacken- und Rückenmuskulatur löste ich dann selbst mit Hilfe von Holzmassagestäben meine ganze Kopfmuskulatur und fand so zu einer entspannten Haltung zurück. Zudem veränderte ich die Übeeinheiten so, dass ich zusätzlich zu meinen vorhandenen Entspannungsübungen immer nach einer Stunde eine anschliessende kurze Lockerungsmassage der Kopf und Kiefermuskulatur einbaue.
Massagestäbe aus Holz
Gründe für Verspannungen
In der Analyse traten folgende Gründe für meine Verspannungen zutage. Zum einen veränderte sich meine Zahnstellung durch die Abnützung der Zähne, welches jedoch ein ganz natürlicher Vorgang ist. Im Laufe des Lebens schleifen sich die Zähen bei jedem Menschen etwas ab. Zum anderen entfernte man zwei Weisheitszähne, was die Veränderungen zusätzlcih begünstigte. Zudem zeigte sich ein nächtliches "Zähneknirschen" und ich musste neben einer Zahnschiene lernen, meine allgemeinen Kiefermuskelspannungen besser warzunehemen und zu lösen. Nun veränderte ich noch leicht den Anschliff meiner Panflöte und kann wieder viel gelöster spielen.